Das interaktive Flowchart „Wir sollten viel mehr reisen!“ dient der Erkundung und Reflektion zum Thema "Fremde überall" anlässlich der 60. Kunst-Biennale in Venedig 2024. Das Thema "Fremde" und damit verbunden auch der "Vertrautheit" wird aus verschiedenen Perspektiven mit einer Mischung aus Objektivität, Subjektivität, Naivität und Sarkasmus vollkommen unvollständig reflektiert.
Die Künstler*innen der Biennale haben sich dem Thema Fremde auf verschiedene Weisen und Perspektiven genähert – jedoch immer genau einen Ansatz verfolgt. Durch Gespräche, Erleben und eigenes Nachdenken wollte ich mich in meinem Projekt mehr dem Facettenreichtum und dem Überblick widmen.
Angeregt durch das interaktive Flowchart „I want a better catastrophe“ zum Thema Klimawandel wollte ich auf die gleiche Weise die komplizierten Gedankengänge zum Thema „Fremde überall“ mit seinen verschiedenen Aspekten anderen zugänglich machen. Vor allen Dingen wollte ich ermöglichen, den gesammelten Gedanken auf verschiedenen Wegen im eigenen Tempo zu folgen, innezuhalten, und eigenen Überlegungen nachzuhängen.
Ich begann mit ersten Hand-Skizzen einer Mindmap und einem Brainstorming darüber, welche Themen während der Exkursion aufkamen, was auf der Biennale ausgestellt wurde, und welchen Aussagen ich bereits im Alltag begegnet bin, von Nachrichten über Social Media bis hin zu Gesprächsfetzen „Fremder“ oder auch durch persönliche Begegnungen. Die Mindmap hat sich schnell verzweigt, überschnitten und ist komplex geworden. Nach dem ersten, spontanen Brainstorming folgte eine Phase der Recherche zum Thema Fremde. Von bekannten Philosophen und Soziologen, bis zu heutigen Dichterinnen gab und gibt es viel Theorie, Forschung, Gedanken, Essays und Poesie, mit deren Hilfe ich die teilweise losen Gedankenhüllen mit mehr Inhalt anreichern konnte. Aus der skizzierten Mindmap habe ich ein Flowchart mit dem Tool Miro konzipiert, das die Gedanken in einen Zusammenhang einbettet, verschiedene Wege ermöglicht, und Themen clustert. Daraus entwickelte sich ein Flowchart, das vom Reisen handelt. Ich entschied mich für ein Farb- und Formenschema, erstellte mit Figma Komponenten für die verschiedenen Zustände der Interaktion "default", "current" und next, und kombinierte daraus eine Grafik im SVG-Format mit verschiedenen Layern. Das Ergebnis ist das interaktive Flowchart "Wir sollten viel mehr reisen!".
Der skizzierte innere Dialog ist die Tonspur zum Flowchart. Aufgenommen wurde er mit dem Smartphone (Samsung Galaxy S20FE) und einer Diktiergerät-App, geschnitten, rudimentär bearbeitet und exportiert mit Audacity.
Ausgangspunkt ist das Thema „Fremde überall“. In einem inneren Dialog kann man verschiedenen Fragen oder Themen folgen: Was bedeutet Fremde, wer oder was ist mir fremd, welche Gefühle löst Fremde aus, womit wird es assoziiert, und wo ist „überall“. Die Themen sind teilweise sachlich und recherchiert, teilweise sarkastisch oder ernst, manchmal naiv und manchmal auch satirisch. Durch alle Wege hin-durch lande ich immer wieder – mal mehr und mal weniger ernst gemeint - bei einer zentralen Erkenntnis: Wir sollte viel mehr reisen! Dort kann man Fremdes entdecken und sich vertraut machen. So führt mein Szenario immer wieder zum Thema „Vertrautes“ als Antagonist des „Fremden“. Zum „Vertrauten“ kann man die gleichen Fragen stellen wie zur Fremde, mit teilweise verschiedenen und dann doch erstaunlich ähnlichen Antworten. Denn Vertrautes ist auch etwas, das häufig zu dem Wunsch nach Änderung führt: Wir sollten viel mehr reisen!
Eigene Empfindungen und Gehirnbenutzung sind ausdrücklich erwünscht. Auf Reisen gehen auch.
- Konzeption und Bearbeitung: Figma, Miro, OneNote, Adobe Illustrator, Color-Palette-Generator
- Interaktivität: Flowchart Template Release
- Ton: Smartphone mit Diktiergerät-App, Audacity
- Flusser, V. Exil und Kreativität (1984/1985). Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus, 103-109.
- Holzbrecher, A. (2024). Weltbilder. Selbstbilder. Bilder des Fremden: Beiträge zu einer Globalen Bildung. Beltz Juventa, Weinheim, ISBN: 9783779977896
- Rousseau, Jean-Jacques (Original: 1754/55). Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-001770-8,
- Schäffter, O. (1991). Modi des Fremderlebens. In: Schäffter, O. (eds) Das Fremde. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. DOI.
- Schleiffer, Marlise (2022). Poesie – Ode an die Reise.
- Simmel, G. (1908). Exkurs über den Fremden. Soziologie. Untersu-chungen über die Formen der Vergesellschaftung/Duncker & Humblot
Dieses Flowchart wurde anhand der Anleitung für die Erstellung eines Interaktiven Flowcharts für das Flowchart-Template des Urban Complexity Lab unter Nutzung des Prebuild-Releases von Mareike Focken erstellt.